Captain Narrowbelt und das Wrack
Es war eine kühle, neblige Nacht in Port Narrow.
Der Hafen lag still und verborgen unter einer dichten Decke aus Nebel, die alles in ein geheimnisvolles Grau hüllte. Die feuchte Luft war schwer von salziger Seeluft und dem Duft von Algen, Seepocken, Muscheln und Seetang, die sich an den alten Holzplanken der Hafendocks festgesetzt hatten. Ein sanfter Wind wehte vom Meer herüber und brachte den fernen Klang von Wellen mit sich, die sanft gegen die Klippen schlugen. Der Vollmond hing wie ein silberner Wächter über dem geheimen Hafen, sein Licht durchbrach den Nebel und tauchte alles in ein gespenstisches, bläuliches Schimmern.
[Lesezeit: ca. 20 Minuten]
Die engen Gassen des Hafens waren fast menschenleer. Nur hin und wieder huschte eine dunkle Gestalt durch den Nebel. Ihre Schritte hallten leise auf dem Kopfsteinpflaster wider, bevor sie wieder im Nebel verschwanden.
Aus dem „Irontooth“ drang gedämpftes Gelächter und das Klirren von Krügen, vermischt mit den rauen Stimmen von Seemännern, die den anwesenden Tavernen Besuchern von ihren Abenteuern erzählten.
Der Geruch von gebratenem Fisch und gewürztem Rum mischte sich mit dem Rauch der Öllampen und dem süßlichen Duft von Holzfeuer, das aus den Schornsteinen der Hafenkneipen aufstieg.
Plötzlich riss ein ungewöhnliches Geräusch die Ruhe entzwei – das Knarren alter Planken und das Rascheln von Segeln, die sich im Wind bauschten.
Captain Narrowbelt, der auf der Kommandobrücke seines mächtigen Schiffes, der Kasilly, stand, blickte auf. Er nahm sein Fernrohr zur Hand und spähte durch den dichten Nebel. Seine Augen verengten sich, als er etwas Ungewöhnliches entdeckte. Aus dem Nebel tauchte langsam ein verfallenes Schiffswrack auf, das unheimlich und geisterhaft wirkte. Es bewegte sich lautlos durch das Wasser, als ob es von einer unsichtbaren Hand gesteuert wurde und machte kurz vor den Hafentoren Port Narrows auf dem offenen Meer halt.
Die Besatzungsmitglieder Captain Narrowbelts, die P.N.X., bemerkten ebenfalls das ungewöhnliche Schiff. Ein Flüstern ging durch die Reihen, als sie das seltsame Gefährt beobachteten. Sie griffen nach ihren Waffen und machten sich bereit, auf das Kommando ihres Captains zu reagieren. Die Spannung in der Luft war förmlich greifbar, als alle Augen auf das geisterhafte Schiff gerichtet waren.
Captain Narrowbelt, ein Mann von imposanter Statur mit durchdringenden Augen und einem Bart, der an die wilden Stürme des Ozeans erinnerte, gab schließlich das Signal. Mit einer fließenden Bewegung seines Arms wies er seine Männer an, das Geisterschiff zu durchsuchen. Die P.N.X.-Brüder setzten sich sofort in Bewegung.
Während sie sich dem Wrack näherten, wurde die Atmosphäre immer dichter und geheimnisvoller.
Die Männer ruderten mit kräftigen, gleichmäßigen Zügen auf das Geisterschiff zu, ihre Gesichter waren von der Anstrengung und der Spannung gezeichnet.
Der Nebel umhüllte sie wie ein kühles, feuchtes Tuch, und jeder Atemzug schien die Luft noch dichter zu machen. Die feinen Tropfen legten sich wie ein unsichtbarer Schleier auf Haut und Kleidung und verstärkten das beklemmende Gefühl, das sie umgab.
Das Wasser war still und schwarz wie Tinte, nur ab und zu durchzogen von sanften Wellen, die an die Bordwände der kleinen Ruderboote schlugen. Das Knarren des alten Holzes und das Plätschern der Ruder waren die einzigen Geräusche in der gespenstischen Stille.
Trotz ihrer rauen Schale und ihrer oft unerschrockenen Natur war eine gewisse Nervosität innerhalb der P.N.X. nicht zu leugnen.
Geschichten über Geisterschiffe und die Geheimnisse der See waren in Port Narrow weit verbreitet, und auch die härtesten Männer konnten sich der Gänsehaut nicht erwehren, die diese Legenden hervorriefen.
Ein leises Murmeln ging durch die Reihen der Brüder.
Einige tauschten besorgte Blicke, während andere starr nach vorne blickten, ihre Augen auf das unheimliche Wrack gerichtet. „Was, wenn es verflucht ist?“, flüsterte einer der jüngeren Männer, seine Stimme zitterte leicht. Ein erfahrenerer Pirat neben ihm spuckte aus und knurrte leise: „Sei ruhig, Junge. Verflucht oder nicht, es ist unsere Pflicht.“
Das leise Plätschern der Ruder verstummte, als die Boote das Wrack erreichten. Die Männer der P.N.X. tauschten letzte, wortlose Blicke, bevor sie begannen, an den verwitterten Seiten des Schiffs empor zu klettern. Die Planken waren rutschig und von Algen bedeckt, doch die erfahrenen Hände fanden sicheren Halt.
Als die Männer der P.N.X. das Wrack erklommen und ihre Fackeln in die Dunkelheit hielten, bemerkten sie etwas Ungewöhnliches. Ein süßer, fast betörender Duft hing in der Luft, ein Gegensatz zur üblichen salzigen Brise des Meeres.
Captain Narrowbelt hob den Kopf und sog tief die Luft ein.
Das Holz des Schiffs war von der Zeit gezeichnet, dunkel und morsch, stellenweise von Muscheln und Seepocken überwuchert. Jedes ihrer Schritte löste ein leises Knarren aus, das sich wie ein Echo durch die gespenstische Stille zog. Es war, als ob das Schiff selbst ihre Anwesenheit mit jedem Stöhnen und Knarzen kommentierte.
Ihre Fackeln warfen flackernde Schatten auf die verfallenen Strukturen. Ein unheimliches Gefühl der Beklommenheit legte sich über sie, als sie sich umsahen. Das Wrack war alt, sehr alt, und es sah aus, als würde es schon seit Jahrhunderten über die Meere gleiten, um immer wieder einmal aufzutauchen und dann wieder in den Nebeln der See zu verschwinden.
Überall auf dem Deck lagen verstreute Überreste von längst vergangenen Tagen. Verwitterte Seile, zerbrochene Ruder und rostige Ankerketten zeugten von einem Leben auf See, das vor langer Zeit erloschen war.
Hier und da waren die Reste von alten Kisten und Fässern zu sehen, deren Inhalt längst verrottet oder von den Elementen weggespült worden war. Ein zerbrochener Sextant lag in einer Ecke, halb von Algen überwuchert, ein stummer Zeuge vergangener Navigationskünste.
Es war Captain Narrowbelt, der als Erster das Alter des Schiffes bemerkte. Er beugte sich über eine der Planken und betrachtete das verwitterte Holz. „Dieses Schiff ist uralt“, murmelte er, mehr zu sich selbst als zu den anderen. „Es muss seit Jahrhunderten über die Meere gleiten.“
Die Männer bewegten sich vorsichtig vorwärts, jeder Schritt wohlüberlegt. Die Fackeln in ihren Händen flackerten und warfen geisterhafte Schatten an die Wände der Kabinen und über das Deck. Sie lauschten aufmerksam auf jedes Geräusch, doch außer dem leisen Knarren des Holzes und dem gelegentlichen Tropfen von Wasser herrschte eine gespenstische Stille. Es war niemand an Bord. Kein Anzeichen von Leben, kein Flüstern von Geistern, keine Stimmen aus der Vergangenheit – nur die beklemmende Stille eines Schiffes, das seine Geheimnisse gut hütete.
Es war, als hätte die Besatzung das Schiff einfach verlassen und es den Elementen überlassen. Aber warum? Und wohin waren sie gegangen?
Plötzlich tauchte am Boden des Wracks eine Tür auf, die vorher nicht da gewesen war. Durch das kaputte Wrack und seinen gebrochenen Planken konnte man sehen, dass sich eigentlich nichts hinter der Tür verbergen konnte. Sie führte augenscheinlich in den mit Wasser gefüllten Schiffsbauch, der dunkel und kalt durch die Ritzen der Planken zu erkennen war.
Die Männer der P.N.X. starrten sie überrascht an. Die Tür schien aus massivem Eichenholz zu bestehen, mit kunstvollen Schnitzereien verziert, die bei genauerem Hinsehen seltsame, fast hypnotische Muster bildeten. Sie war schwer und solide, ein seltsamer Kontrast zu den verfallenen Überresten des restlichen Schiffs.
Captain Narrowbelt trat näher und legte die Hand auf den kühlen, glatten Griff. Ein leises Flüstern, fast wie das Wispern des Windes, schien von der Tür auszugehen, als er sie berührte. Mit einem kurzen, entschlossenen Blick zu seinen Männern drückte er den Griff herunter. Die Tür schwang langsam auf, ohne das erwartete Knarren, und gab den Blick auf einen Raum frei, der in starkem Kontrast zum Rest des Schiffs stand.
Die Männer zögerten, bevor sie den Raum betraten. „Was zum Teufel…“ murmelte einer der Männer und trat vorsichtig näher, seine Augen weit aufgerissen vor Staunen.
Der Raum, der sich vor ihnen auftat, war prunkvoll und in einem nahezu perfekten Zustand. Das warme, flackernde Licht von Fackeln, die in kunstvollen Haltern an den Wänden befestigt waren, tauchte den Raum in ein goldenes Glühen. Die Wände waren mit reichen, dunkelroten Tapisserien behangen, die Szenen von alten Seeschlachten und exotischen Häfen darstellten. Ein schwerer, orientalischer Teppich bedeckte den Boden, und an den Wänden standen reich verzierte Schränke und Truhen.
Der Duft von Sherry, Karamell und sanften Klängen von Zartbitterschokolade lag in der Luft, vermischt mit dem süßen, schweren Geruch von gereiften Rum, der aus den vielen Fässern zu strömen schien, die ordentlich gestapelt in den Ecken standen. Der Raum war groß, und obwohl er offensichtlich als Lager diente, war er auch gleichzeitig eine luxuriöse Kajüte. Ein großer Tisch in der Mitte war mit Karten, Navigationsinstrumenten und einem imposanten Globus bedeckt.
An einer Wand stand ein kunstvoller Schrein aus dunklem Holz, mit goldenen Verzierungen und Edelsteinen besetzt. Auf dem Schrein lag ein Buch, das sofort die Aufmerksamkeit aller auf sich zog. Es war alt und geheimnisvoll, mit einem Einband aus dunklem Leder und mit seltsamen, leuchtenden Symbolen verziert, die wie magische Runen wirkten. Das Buch schien eine eigene Aura zu haben, ein mystisches Leuchten, das die Neugier und Ehrfurcht der Männer weckte.
„Das ist unglaublich“, flüsterte einer der Männer und trat vorsichtig näher, seine Augen auf das Buch gerichtet. „Wie kann das alles hier sein?“
Captain Narrowbelt trat in den Raum und spürte sofort die Veränderung in der Luft. Es war, als ob er in eine andere Welt getreten wäre – eine Welt, die von Geheimnissen und alten Mächten durchdrungen war. Er ging langsam auf den Schrein zu, seine Schritte leise auf dem dicken Teppich. Seine Männer folgten ihm, ihre Blicke wanderten zwischen den prunkvollen Gegenständen und dem geheimnisvollen Buch hin und her.
„Dies ist kein gewöhnlicher Raum“, sagte Captain Narrowbelt leise, seine Stimme vor Ehrfurcht und Neugierde gedämpft. „Hier liegt etwas verborgen, das weit über unser Verständnis hinausgeht.“
Sie standen nun alle um den Schrein herum, ihre Augen auf das geheimnisvolle Buch gerichtet. Die Fackeln flackerten und warfen tanzende Schatten auf die Wände, während die Männer der P.N.X. den Atem anhielten, unsicher, was sie als nächstes tun sollten. Das Gefühl der Beklommenheit verflüchtigte sich nach und nach und mischte sich mit einer aufregenden Neugierde, und sie wussten, dass sie einen entscheidenden Moment in ihrem Abenteuer erreicht hatten.
Plötzlich hörten sie ein leises Rascheln hinter einem Stapel Fässer. Sie drehten sich um, die Hände instinktiv an ihren Waffen, und sahen eine Gestalt hervor treten. Ein alter Mann mit einem langen, grauen Bart und tiefen Falten im Gesicht trat aus dem Schatten. Seine Augen funkelten lebhaft, und er trug eine Robe aus dunkelblauem, schimmerndem Stoff, die mit silbernen Symbolen bestickt war. Ein Umhang aus schwerem Samt hing von seinen Schultern und bewegte sich sanft bei jedem seiner Schritte.
Der alte Mann roch nach alten Büchern, Rum und Karamell, ein Duft, der sich sofort in der Luft ausbreitete. Seine Bewegungen waren fließend und doch irgendwie ziellos, als ob er durch die Zeiten selbst geschlendert wäre. In seiner rechten Hand hielt er einen alten, knorrigen Stab aus dunklem Holz, der an der Spitze in einer Spirale endete. In seiner linken Hand schwenkte er einen Beutel aus Leder, aus dem ab und zu geheimnisvolle Funken sprühten.
„Ah, meine alten Freunde!“ rief der Mann mit einer heiseren, doch freundlichen Stimme. „Wie schön, euch wiederzusehen! Es ist lange her, nicht wahr? Jahrhunderte, könnte man sagen.“ Seine Worte waren wirr, und doch schien er die Männer der P.N.X. zu kennen, als hätten sie eine gemeinsame Geschichte.
Die Männer der P.N.X. schauten sich verwirrt an. Keiner von ihnen erkannte den Mann, doch seine Anwesenheit und seine Worte ließen ein seltsames Gefühl von Vertrautheit aufkommen. „Wer seid Ihr?“ fragte Captain Narrowbelt mit fester Stimme, doch ohne die Feindseligkeit, die er sonst Fremden gegenüber zeigte.
„Ich? Ich bin nur ein Wanderer der Zeit, ein alter Zauberer, der seinen Frieden sucht“, antwortete der Mann und lächelte weise. „Ihr kennt mich nicht, aber ich kenne euch und euren Durst nach Abenteuern.“
Der alte Zauberer trat näher an den Schrein heran, seine Finger glitten zärtlich über das alte Buch, das dort lag. „Ihr seid gekommen, um ein Geheimnis zu lüften, nicht wahr? Ein Geheimnis, das in diesen Fässern verborgen ist.“ Er klopfte leicht auf eines der Fässer und schien in Gedanken zu versinken. „Ja, die Zutaten sind alle hier. Alles, was ihr braucht, um einen magische Blend zu vollenden.”
Er wandte sich an den Captain: “Captain Narrowbelt, es ist lange her… oder wird es noch sein? Die Zeit ist ein seltsames Gefüge, und unsere Wege sind verwoben. Ihr habt mir einst geholfen, und nun stehe ich hier, um euch zu helfen, euer Schicksal zu erfüllen. Dieser Schrein birgt mehr als nur altes Holz und Staub. Er enthält die Essenz eines Rums, der nur von den Mutigsten und Klügsten vervollständigt werden kann. Ihr, Captain, und eure Crew habt die Zutaten, aber auch den Geist, der nötig ist, um dieses magische Elixier zu vollenden.
Seid ihr bereit, euch dieser Herausforderung zu stellen und den Captain’s Choice zu kreieren, der die Legenden der Meere in sich trägt?“ Der Zauberer lächelt weise und wartet auf die Antwort des Captains.
Captain Narrowbelt tritt näher, seine Augen leuchten entschlossen. „Wenn dieser Rum die Seele der See birgt, dann ist es unsere Pflicht, ihn zu vollenden. Wir sind bereit.“
Die Crew nickt, erfüllt von einem neuen Gefühl des Abenteuers.
Der Zauberer hebt seine Hände, eine uralte Formel murmelnd. Die Fässer beginnen leicht zu leuchten, und gleichzeitig erstrahlt das alte Buch auf dem Schrein in goldenem Licht. Zu ihrer Überraschung beginnen sich Worte und Symbole von selbst in das Buch zu schreiben.
„Das Rezept des Captain’s Choice wird euch offenbart“, sagt der Zauberer mit einem Lächeln. „Es liegt nun in euren Händen, dieses Vermächtnis zu vollenden.“
Die Crew versammelt sich um das leuchtende Buch, fasziniert von den mysteriösen Zeichen, die sich auf den Seiten entfalten. Jeder Schritt des Rezepts scheint wie ein Rätsel, das darauf wartet, gelöst zu werden. Sie beginnen, die alten Fässer zu öffnen, um die Zutaten zu überprüfen, während der Zauberer sie mit weiser Führung anleitet. Ein Hauch von Magie liegt in der Luft, als die Crew sich darauf vorbereitet, den legendären Captain’s Choice zu erschaffen.